Die Ordensgemeinschaft der seligen Restituta

Fast wie ein Krimi liest sich die Gründungsgeschichte des Ordens. Sr. Restituta erhielt ihre erste geistliche und berufliche Ausbildung im Wiener Mutterhaus der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe.

Wurzeln im Wiedner Bezirkskrankenhaus

Die Wurzeln unserer Ordensgemeinschaft liegen im 1841 eröffneten Wiedner Krankenhaus, einem seinerzeit recht ansehnlichen ehemaligen Bezirksspital in der Favoritenstraße im 4. Wiener Gemeindebezirk. Heute befindet sich dort die Wohnanlage „Bertha von Suttner-Hof“ (Nr. 38-40).

Missstände in der Krankenpflege
am Wiedner Krankenhaus

Einige Jahre nach der Spitalsgründung machten sich grobe Missstände in der Krankenpflege bemerkbar, die bedrohlichen Schaden sowohl an den Patienten als auch in der Kasse des Direktors Dr. Joseph Dietl anrichteten. Der Ruf der sogenannten „Wärterinnen“ war oft ebenso katastrophal wie ihre Methoden.

Sie vernachlässigten, erpressten und bestahlen die PatienInnen, aßen ihnen einen Teil des Essens weg, besoffen sich auf ihre Kosten und tanzten mit ihren Geliebten torkelnd durch die Krankensäle. Eine geradezu bühnenreife Schilderung liefert dazu unsere Ordenschronik.

Schlaue Strategie: „Weltliche“ Schwestern des Dritten Ordens des hl. Franziskus

Der Spitalsdirektor löste das Problem auf eine ebenso einfache wie strategisch schlaue Weise: „Brave“ katholische junge Frauen würden aus ihrer kirchlichen Gebundenheit heraus auch als Krankenpflegerinnen anständig, ehrlich, bescheiden, anspruchslos und nicht aufmüpfig sein. Als eine Art „Garantie“ sollten sie sich zugleich in den sogenannten „weltlichen“ Dritten Orden des hl. Franziskus von Assisi (heute: „Franziskanische Gemeinschaft“) aufnehmen lassen.

Auf Bemühen des Spitalsdirektors vermittelten also einige Priester, darunter der damalige Kapuzinerprovinzial, dem Wiedner Krankenhaus religiös gesinnte junge Frauen, die bereit waren, als Drittordensschwestern mit Verantwortungsbewusstsein und menschlicher Zuwendung den Kranken zu dienen. Die erste Aufnahme in den Dritten Orden erfolgte am 29. Jänner 1848 durch den ersten der beiden Krankenhausseelsorger. Er übernahm auch die geistliche Leitung der Gemeinschaft. So weit, so gut – oder doch nicht?

Christentum nur als Mittel zum Zweck?

Der Spitalsdirektor hatte den jungen Frauen vorher versprochen, sie könnten sich auch zu einer klösterlichen Gemeinschaft zusammenschließen, doch später wollte er nichts mehr davon wissen. Merkwürdigerweise fiel auch der erste Spitalsseelsorger den Schwestern in den Rücken und ergriff die Partei des Spitalsdirektors.

Der zweite Seelsorger jedoch hatte die Situation erfasst. Auch den Krankenhausbetrieb hatten die Wirren und gegenseitigen Vorurteile des Revolutionsjahrs 1848 nicht verschont. In einem sehr kritischen Schreiben bezeichnet der zweite Seelsorger den Spitalsdirektor ungeschminkt als „getauften Atheisten“ und zitiert dessen Ausspruch: „Ich benütze das Christentum als Mittel zu meinen Zwecken.“

 

Den Zwecken des Direktors dienlich war Personal, das möglichst problemlos „funktionierte“, organisatorisch leicht zu steuern und rechtlich total von ihm abhängig war. Bei einer Ordensgründung würde die klösterliche Gemeinschaft auch unter die Jurisdiktion und unter den besonderen Schutz der kirchlichen Autoritäten gestellt. Damit wären die Machtmittel von Spitalsdirektion und Ärzten gegenüber den klösterlichen Pflegerinnen eingeschränkt. Offenbar um dies zu verhindern, sollte eben auch die Klostergründung verhindert werden.

Weitere Befürchtungen

Möglicherweise befürchtete die zivile Spitalsleitung aber auch, dass wegen der engen Bindung der Kirche an die herrschenden Schichten (zumal nach dem Revolutionsjahr 1848) „geistliche“ Krankenschwestern die Bodenhaftung zur „weltlichen“ Realität und den ungetrübten Blick für die drückende soziale Not an der Basis ein wenig verlieren könnten.

Korrupten Ärzten wiederum waren die potentiellen Ordensfrauen ohnedies ein Dorn im Auge, da sie bei ihnen vergeblich auf Handlangerdienste und Vertuschen von Versäumnissen warteten.

Ringen um Macht und Abhängigkeiten

Es ging also zwar vordergründig um eine bessere Betreuung der Patienten, im Zusammenhang mit den politischen Spannungen und den Vorurteilen zwischen kirchenfreundlichen und kirchenkritischen Kreisen jedoch auch um etwas ganz anderes: das Ringen um Macht und Abhängigkeiten.

 

Davon hatten die unpolitisch denkenden Drittordensschwestern freilich keine Ahnung, aber nachgegeben haben sie trotzdem nicht. Sie rüsteten zur Eigeninitiative.

Corporate Identity: die christliche Liebe

In couragierten Bittgesuchen wandten sie sich direkt sowohl an den Fürsterzbischof von Wien, Kardinal Joseph Othmar Ritter v. Rauscher, als auch an den Innenminister Alexander Freiherr von Bach.

Tabernakel der Restituta-Kapelle im mit dem Mutterhaus verbundenen Franziskus-Spital Margareten: Flammenform als Symbol der christlichen Liebe

Es ist beachtlich, dass dieser dynamische Aufbruch einfacher Frauen damals offenbar ohne Protektion von irgendwelchen hohen Herrschaften des weltlichen oder geistlichen Establishments auskam.

Aus einem Brief des Innenministers an den Kardinal aus dem Jahr 1854 erfahren wir, dass es schon damals der eigene Wunsch der Gründungsschwestern war, unter dem Namen „die Schwestern der christlichen Liebe“ als regulierte Ordensgemeinschaft anerkannt zu werden. Der Minister bemühte sich tatsächlich, die erforderlichen ökonomischen, dienstrechtlichen und architektonischen Voraussetzungen zu garantieren, damit die jungen Frauen auch als Ordensschwestern der Krankenanstalt erhalten blieben.

Mordanschlag: Arsen und Ordenshäubchen!

Noch war der Orden gar nicht gegründet, schürten Gegner dieser Entwicklung schon öffentlichen Spott, Ablehnung, ja sogar tödlichen Hass gegen die Schwestern. Diese ließen sich allerdings nicht einmal durch einen raffinierten Mordanschlag zum Fest Christi Himmelfahrt 1856 einschüchtern: die heimliche „Würzung“ des Kartoffelsalats der Schwestern mit Arsen!

Unsere Gründungsschwestern waren jedoch psychisch wie physisch einfach „nicht umzubringen“! Und so führten die knapp dreijährigen Verhandlungen zwischen Erzbischof, Minister und Krankenschwestern endlich zu dem von den Freunden erwünschten – und von den Feinden verwünschten – Ergebnis: zur offiziellen Ordensgründung.

Erster in Wien gegründeter
franziskanischer Krankenpflegeorden!

Von historischer Bedeutung für die Stadt und die Erzdiözese Wien ist die Tatsache, dass die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe der erste in Wien gegründete franziskanische Kranken­pflegeorden sind. Kardinal Rauscher schreibt schon 1854 in einem Brief: „Es ist der Wunsch der Schwestern, dass die dritte Regel des heiligen Franziskus zugrunde gelegt werde. Auf dem Grunde dieser Regel hat sich bis jetzt keine für den Krankendienst bestimmte Kongregation gebildet. Ich habe daher das Nötige eingeleitet, damit entsprechende Statuten entworfen werden …“

Unser Orden entstand zudem ursprünglich inmitten einer staatlichen Gesundheitseinrichtung, und die staatlichen Spitäler blieben auch durch viele Jahrzehnte hindurch der Schwerpunkt der Tätigkeit unserer Krankenschwestern.

Statt 1 Gründer 95 Gründerinnen

Aus den erhaltenen Dokumenten geht klar hervor: Wiens Erzbischof Kardinal Rauscher wirkte zwar von Amts wegen bei der „Gestaltwerdung“ des Ordens mit und nahm dessen bischöfliche Errichtung vor, aber die Initiative ging nicht von ihm, sondern eben von der schließlich 95 Frauen starken Gruppe entschlossener Krankenschwestern aus.

 

Generaloberin Sr. M. Makaria Langoth (Foto 1. H. 20. Jh.) hat Helene Kafka in den Orden aufgenommen

Nach neunjährigem Ringen:
Gründungstag am 10. Mai 1857

Am 10. Mai feiern wir unseren offiziellen Gründungstag. Mit der Konstituierung am 10. Mai 1857 durch Kardinal Dr. Joseph Othmar von Rauscher erhielt unsere Ordensgemeinschaft die bischöfliche Approbation.

Vom Konvent Wien-Landstraße kamen drei Elisabethinen, um als Oberin, Novizenmeisterin und deren Gehilfin unsere ersten Schwestern in das klösterliche Leben einzuführen.

Seit der ersten Gelübdeablegung im Jahr 1858 leiten eigene Schwestern die Gemeinschaft.

Schmutzkübelkampagne in der kirchenfeindlichen Presse 1860-1861

Die Gegner der Ordensgründung schäumten: Sie hatten den Schwestern weder das Leben noch die Ordensgründung nehmen können – aber da war doch noch das Wiedner Krankenhaus als Existenzgrundlage?! Vor allem aus dem Kreis der kirchen- und klosterfeindlichen Ärzte wurde nun die Presse mit immer mehr Skandalgeschichten über die angeblichen Verfehlungen der Schwestern versorgt. Zwischen schwesternfeindlichen und -freundlichen Blättern entspann sich 1860/1861 ein regelrechter Pressekleinkrieg mit wütenden Beschuldigungen und leidenschaftlichen Verteidigungen.

Sogar das renommierte Theater in der Josefstadt wurde 1861 zur Agitation gegen unsere Schwestern missbraucht. Das geht jedenfalls aus einem in der Ordenschronik zitierten Zeitungsartikel hervor, der das verhöhnende Stück „Die verfolgte Unschuld“ heftig verreißt als „Machwerk, das an Plattheit und Gemeinheit seinesgleichen sucht“.

Unterstützung für unseren Orden kam dagegen sogar durch ein im Druck erschienenes Buch, das ausschließlich die Angriffe gegen unsere Gemeinschaft zu entkräften suchte – umsonst. Am Ende: Kündigung und Hinauswurf.

Von der Obdachlosigkeit zum eigenen Ordensspital: 1862-1865

Die inzwischen etwa 120 Schwestern mussten 1862 endgültig das Wiedner Krankenhaus verlassen und verloren damit auch ihre Wohnmöglichkeit. Auf der Suche nach Arbeit und Unterkunft kamen sie weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus.

1865 konnten sie in der Hartmanngasse, Wien-Margareten, mit Hilfe von Spenden ein eigenes Mutterhaus und ein kleines Spital „für unentgeltliche Pflege von armen Kranken“ einrichten.

Diese franziskanische „Option für die Armen“, die heute neben materieller immer mehr auch seelische oder/und soziale Not mit einschließt, dürfen wir niemals verraten. Auf dasselbe Jahr 1865 geht auch die Konzession zur Führung einer eigenen Anstaltsapotheke zurück.

Mutterhaus und Generalat

Seit 1865 befindet sich das Mutterhaus mit Sitz der Ordensleitung und europäischem Noviziat in 1050 Wien, Hartmanngasse 7; daher der vom Wiener Volksmund geprägte Name „Hartmannschwestern“ und der Name „Hartmannspital“ für das dem Mutterhaus angeschlossene gemeinnützige Ordenskrankenhaus, obwohl der Spitalseingang später in die Nikolsdorfergasse 32 verlegt wurde.

Mutterhausfassade mit Haupteingang (Mitte) in 1050 Wien, Hartmanngasse 7. Hier ist auch Helene Kafka in den Orden eingetreten.

 

Einziges „urwienerisches“ Ordensspital

Das Ende am – nicht mehr bestehenden – Wiedner Krankenhaus war also der Anfang des Hartmannspitals. Mit 1. Jänner 2017 wurde aus dem „Hartmannspital“ der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe und dem franziskanischen Krankenhaus St. Elisabeth der Elisabethinen in Wien-Landstraße das an zwei Standorten gemeinsam geführte „Franziskus-Spital“. Es ist ein gemeinnütziges Ordensspital mit dem Schwerpunkt „Medizin für Menschen im Alter“.

Franziskus-Spital in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 32

Von allen in Wien bestehenden Ordensspitälern geht nur das „Franziskus-Spital Margareten“ auf eine auch in Wien bzw. Österreich gegründete Ordensgemeinschaft zurück. Als einziges „urwienerisches“ Ordensspital ist es daher in unvergleichlicher Weise mit der Geschichte und dem Gesundheitswesen unserer Stadt verbunden.

Mehr über die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe finden Sie auf www.franziskanerinnen.org.