30.03.2023: 80. Todestag der sel. Restituta
Ein Tag des länderübergreifenden Gedenkens mit dem tschechischen Umweltminister, dem tschechischem Botschafter, dem Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien, einem Bus mit Gästen aus Brünn, Vertretern der NS-Opfer-Verbände, einer Kapelle der Wiener Straßenbahner, Mitgliedern von Brünner und Wiener Pfarren, dem Verein Restituta-Forum, Freunden und Interessierten und natürlich mit Ordensschwestern der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe („Hartmannschwestern“), das war der 80. Todestag der sel. Restituta Kafka.
Mutterhaus: „Restituta – Glaube gegen NS-Gewalt“
Die Organisation „Meeting Brno“ aus Sr. Restitutas Geburtsstadt Brünn hatte eine Fahrt nach Wien für den Besuch der Dauerausstellung „Restituta – Glaube gegen NS-Gewalt“ im Mutterhaus der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe und für die Teilnahme an unseren Veranstaltungen auf dem Programm. Dazu traf ein großer Bus mit Gästen um ca. 9.30 Uhr bei uns ein.
Eine Gruppe von Mitgliedern der Pfarre Brünn-Lesná, der wir die erste der sel. Restituta geweihte Kirche verdanken, feierte die hl. Messe. Anschließend war es Zeit für ein gemeinsames Mittagessen im Kloster.
Brigittenau: Gedenkrundgang
In Sr. Restitutas Wiener Heimatbezirk Brigittenau lebten mehrere vom NS-Gewaltregime verfolgte und z.T. ermordete WiderstandskämpferInnen. Ein von der Arbeitsgemeinschaft der NS-Opfer-Verbände und Widerstandskämpfer/innen veranstalteter Gedenkrundgang führte ab 14 Uhr unter musikalischer Begleitung einer Blaskapelle der Wiener Linien von Helene Kafkas letztem Wohnhaus vor dem Ordenseintritt in (Denisgasse 24) zum Straßenbahnbetriebsbahnhof in der Wexstraße 13-15, dem Dienstort der sechs am 30.03.1943 gemeinsam mit Sr. Restituta hingerichteten kommunistischen Straßenbahner.
Vor Sr. Restitutas Wohnhaus wurden die Teilnehmer:nnen von Dr. Winfried R. Garscha namens der ARGE der NS-Opfer-Verbände und des Vereins Restituta-Forum begrüßt. Als VertreterInnen der Politik sprachen Karl Lacina, Bezirksvorsteher a.D., der als großer Förderer des Andenkens an Sr. Restituta die Schaffung des Musicals „Restituta“ (2000) angeregt hatte, und Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Barbara Pickl (Die Grünen).
Sr. Ruth Beinhauer stellte das Leben der Märtyrerin aus dem Widerstand Sr. Restituta vor, Inge Buder vom Restituta-Forum betete das Restituta-Gebet des Ordens, eine Blaskapelle der Wiener Straßenbahner spielte abschließend das Lied „Näher, mein Gott, zu dir“, das Sr. Restituta mit fester Stimme auf dem Weg zum Schafott gesungen hatte…
Unterwegs von der Denisgasse in die Wexstraße
Vor dem Straßenbahnbetriebsbahnhof Wexstraße
Beim Gedenkstein für die mit Sr. Restituta enthaupteten sechs kommunistischen Straßenbahner vor der Straßenbahnremise Wexstraße 13-15 sprachen der Enkel des hingerichteten Johann Plocek, die Simon-Wiesenthal-Preisträgerin 2022 und Gründerin des Vereins IM-MER Waltraud Barton, MA, und Dr. Winfried R. Garscha für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW). Als Vertreter der KPÖ Brigittenau rief Raoul Narodoslavsky in seinen leidenschaftlichen Schlussworten die Anwesenden zum vereinten Einsatz gegen das Wiedererstarken faschistischer Tendenzen auf.
Landesgericht: Großer Schwurgerichtssaal
Im Landesgericht für Strafsachen Wien fanden im Großen Schwurgerichtssaal Begrüßung und Einführung durch den Hausherrn Präsident Mag. Friedrich Forsthuber statt, der in Sr. Restituta u.a. die Verteidigung der übereinstimmenden Werte des christlichen Glaubens, des Rechtsstaats und der Europäischen Union exemplarisch verwirklicht sieht.
Forsthuber erinnerte u.a. an Fjodor Dostojewskis Der Großinquisitor und verglich die Figur des Großinquisitors mit all jenen diktatorischen Menschen und Institutionen, die andere Menschen unterdrücken, verfolgen und ermorden unter dem Vorwand, sie vor ihrem Versagen im Gebrauch der Freiheit zu retten, indem sie ihnen alle Entscheidungen abnehmen und ihnen unter Drohungen vorschreiben, was zu glauben und zu tun und was zu lassen sei.
Als der Großinquisitor den wieder auf die Erde gekommenen Jesus gefangen nahm und mit dem Verbrennen bedrohte, weil er mit seiner Botschaft der Freiheit das von der katholischen Kirche aufgestellte und kontrollierte System von Recht und Ordnung störe, und als er von ihm eine Rechtfertigung hören wollte, habe Jesus geantwortet, indem er den gefürchteten Großinquisitor wortlos umarmte und küsste. So haben auch Sr. Restituta und andere Märtyrer:innen es uns vorgezeigt: Die letztlich siegreiche Antwort sei die Liebe.
Auch der neue tschechische Umweltminister Mag. Petr Hladík und der tschechische Botschafter Dr. Jiří Šitler gaben Sr. Restituta die Ehre, wobei vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs auch Minister Hladík wie Präs. Forsthuber das christliche Menschen- und Weltbild als Gegenmittel gegen Unterdrückung der Freiheit des Denkens und Handelns und gegen Gewalt und Diktatur hervorhob. Minister Hladík betonte, dass Sr. Restituta uns helfe, bessere Menschen und bessere Christen zu werden.
Landesgericht für Strafsachen Wien: ehemaliger Hinrichtungsraum
Den Abschluss bildete ein Wortgottesdienst im von den Nationalsozialisten eingerichteten ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgerichts unter Mitwirkung von Mag. Martin Leitner, Direktor des Überdiözesanen Priesterseminars Leopoldinum in Heiligenkreuz und geistlicher Assistent des Vereins Restituta-Forum, Pfarrer Mag. Wolfgang Seybold von St. Brigitta und Pfarrer em. Pavel Hověz von Brünn-Lesná.
Das gemeinsame Gedenken und Beten schloss neben Sr. Restituta und den Brigittenauer Straßenbahnern vor allem auch Sr. Restitutas drei Todeszellengenossinnen und die Gruppe der 21 mährischen Widerstandskämpfer:innen ein, die drei Monate nach Sr. Restituta im selben Raum hingerichtet wurden.
Eine von ihnen, Ludmila Remešová, saß eben in Sr. Restitutas letzten Lebenstagen mit ihr in der Todeszelle. Mit Ludmila starben am 30.06.1943 ihr Bruder und beide Eltern, insgesamt im Jahr 1943 sogar sieben Mitglieder derselben Familie Remeš.
Mit einer Reliquie der seligen Restituta wurde allen Mitfeiernden Gottes Segen mit auf den Weg gegeben, während ein Restituta-Lied in deutscher und tschechischer Sprache nochmals den Beistand der Seligen unserer beiden Länder erbat.