Mährisches Landesarchiv Brünn Fassade

Kuriosum in Helene Kafkas Lebenslauf entdeckt

Die E-Mailkorrespondenz mit einem deutschen Ahnenforscher führte Ende 2018 zur unerwarteten Entdeckung eines absoluten Kuriosums in Helene Kafkas Lebenslauf.

Zunächst schlossen neue Recherchen in online zugänglichen tschechischen und internationalen Archiven eine biografische Lücke. Von Sofia (Sophie) und Albine, den zwei im Kindesalter verstorbenen Schwestern von Helene, der späteren Sr. Restituta, war uns bisher nur bekannt gewesen, dass sie Ende 1906 nicht mehr am Leben waren, als Vater Anton Kafka für sich und seine Familie um das Wiener Heimatrecht ansuchte und die zwei Mädchen im Gesuch nicht anführte.

Lebensdaten von zwei Kafka-Schwestern endlich geklärt

Inzwischen wissen wir:  Sofia Kafka, geboren in Brünn-Husovice am 31.03. 1891, verstarb dort bereits mit neuneinhalb Monaten am 11.01.1892. Albine Kafka, geboren in Wien am 09.02.1896, verstarb in Wien bereits mit rund achteinhalb Monaten am 29.10.1896, und zwar an „Darmcatarrh“, der damals im armen Zuwandererbezirk Wien-Brigittenau (bis 1900 Teil des Bezirks Leopoldstadt) auch andere Säuglinge dahinraffte.

Die eindeutige Reihenfolge der Geburtsjahrgänge der Kafka-Kinder laut Geburts- und Sterbebüchern ist also:

  1. Marie (1888)
  2. Bedřich (Friedrich, 1889)
  3. Sofia (1891)
  4. Valeria (Valerie, 1892)
  5. Helena (Helene, 1894)
  6. Albine Margaretha (1896)
  7. Anna Margarita (1899)

Verwirrung in der Chronologie

Das unglaubliche Kuriosum besteht darin, dass Sr. Restituta selbst, und zwar ganz offiziell in ihrem erhalten gebliebenen und von ihr eigenhändig unterschriebenen kurzen Lebenslauf von 1939, abweichend von obiger Reihung erklärte: „Am 1. Mai 1894 wurde ich als sechstes (sic!) Kind des Anton und der Maria Kafka zu Hussowitz in Mähren geboren.“ Und ihre Schwester Anna Wolfram, geb. Kafka, bestätigte das in einem Interview von 1978 ganz selbstverständlich: „Wir waren sieben Kinder. Sie ist die Vorletzte (sic!) und ich bin die Letzte.“

Lebenslauf der Sr. Restituta mit eigenhändiger Unterschrift

Lebenslauf von Sr. Restituta mit dem Fehler: „als sechstes Kind … geboren“. Korrekt ist: „als fünftes Kind“.

Zwei leibliche Schwestern, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, machten zwei übereinstimmende, eindeutige und dokumentarisch belegte Feststellungen über die Reihenfolge der Geschwister in ihrer Familie. Wer würde an der Richtigkeit dieser Feststellungen zweifeln?

Albine „fällt unter den Tisch“

Und doch: Restituta und Anna haben die zwischen ihnen geborene Schwester Albine „unter den Tisch fallen“ lassen, in Wirklichkeit war Restituta eben das fünfte und nicht das sechste Kind.

Albine war noch im Geburtsjahr gestorben, als Anna noch lange nicht geboren und Helene erst knapp zweieinhalb Jahre alt war und sich später wohl kaum an sie erinnern konnte. Die Tatsache, dass Albine nicht mit ihnen gemeinsam das Erwachsenenalter erreicht hatte, wird wohl der Grund gewesen sein, warum Sr. Restituta und ihre Schwester Anna sie nicht mehr erwähnten und warum Anna von Restituta als der „Vorletzten“ sprach, womit sie wohl die „vorletzte Überlebende“ meinte, was ja so gesehen auch stimmte. Da die „Letzte“ Anna das 7. Kind war, wurde offenbar analog die „Vorletzte“ Helene / Restituta subjektiv als das 6. Kind wahrgenommen, obwohl das objektiv nicht stimmte.

Die Wahrheit: Helene ist die Fünfte und nicht die „vorletzte“ Sechste!

Dieses unerwartete Kuriosum verlangt natürlich in Gesprächen und neuen Veröffentlichungen die Richtigstellung der chronologischen Reihenfolge: Sr. Restituta Helene Kafka ist korrekt das fünfte und nicht das sechste von sieben Kindern – ihrem eigenen Lebenslauf zum Trotz.